Mit Beton gegen Barrieren

Text von
Gabriela Burri
veröffentlicht 16.08.2023
aktualisiert 24.09.2024
veröffentlicht 16. August 2023
| aktualisiert 24. September 2024
5 min. Lesezeit

Die CREACCESS® Bordsteine sind die nachhaltige Lösung für einen hindernisfreien Ein- und Ausstieg an allen Bushaltestellen.
Wann ist eine Bushaltestelle BehiG-konform?
Gemäss Eidgenössischem Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) sollen Menschen mit Beeinträchtigungen im öffentlichen Verkehr keine Benachteiligung mehr haben. Das heisst aus baulicher Sicht, dass die Bushaltekanten eine Höhe von mindestens 22 Zentimeter aufweisen müssen, damit ein selbständiger Ein- und Ausstieg in den Bus möglich ist.
Das allein reicht aber noch nicht: Damit die hohen Haltekanten beim Einsteigen etwas nützen, müssen die Fahrzeuge möglichst nah an die Kante heranfahren können (maximal zulässige Spaltbreite zwischen Fahrzeug und Kante 5–7 cm).
Eine möglichst parallele Anfahrt ist darum Voraussetzung für einen autonomen Einstieg.
Quelle: Schweizer Fachstelle Hindernisfreie Architektur

Die Lösung für BehiG-konforme Perrons heisst CREACCESS®
Schweizer Gemeinden und Städte sind unter Druck: Sie sind mit der Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) im Verzug, das 2004 in Kraft trat. Das Gesetz gewährt ihnen bis Ende 2023 eine Frist für den Umbau von sämtlichen Haltestellen im öffentlichen Verkehr.
Auch die Stadt Bern steht vor dieser Herausforderung: «Wir verfügen auf unserem Stadtgebiet über 417 Bus- und Tramhaltekanten, die saniert werden müssen», sagt Reto Beer, Projektleiter beim Tiefbauamt der Stadt Bern. In der Regel versucht die Stadt, die Anpassungen im Zuge von ohnehin geplanten Strassensanierungs- und Infrastrukturprojekten durchzuführen. «Wir müssen in Etappen sanieren und so gewährleisten, dass das ÖV-Netz aufgrund von zu vielen Baustellen nicht zusammenbricht.» Bis heute wurden in der Stadt Bern 87 Haltekanten umgebaut, es bleiben 330.
Haben die Städte und Gemeinden zu lange gewartet? «Das kann man so nicht sagen», sagt Reto Beer. «Es war bei uns ein ständiges Thema, seit die Fristen bekannt wurden. Doch das Vorhaben ist komplex.» Dies bestätigt Joe Manser von der Schweizer Fachstelle «Hindernisfreie Architektur»: «Es dauerte rund zehn Jahre, bis wir in der Schweiz die Normen ausgearbeitet hatten. Es wurde viel ausprobiert und in Zürich testete man verschiedene Varianten, bis die ideale Haltekante gefunden wurde.» Diese Haltekante ist 22 Zentimeter hoch und verfügt über einen Absatz in der strassenseitigen Fläche. So kann der Bus nahe genug an die Kante heranfahren.

Bis Ende 2023 müssten alle Haltestellen des öffentlichen Verkehrs in der Schweiz barrierefrei sein.
Lösung für den «Inselpark»
Bis zur Ausarbeitung der landesweit gültigen Normen war die Hälfte der Frist bereits abgelaufen. «Wir mussten anfangen, Prioritäten zu setzen», sagt Reto Beer vom Stadtberner Tiefbauamt. In Zusammenarbeit mit den Behindertenorganisationen definierte die Stadt, welche Haltestellen besonders oft von Menschen mit einer Beeinträchtigung frequentiert werden. Diese sollten zuerst umgebaut werden. In diese Kategorie fiel auch die Haltestelle «Inselpark» (ehemals «Anna-Seiler-Haus») vor dem Berner Inselspital.
Der Umbau des «Inselparks» war für Herbst 2022 projektiert, doch kam es zu Lieferschwierigkeiten beim bestellten Naturstein. «Wir hätten sechs Monate auf die Steine warten müssen. Innerhalb von kürzester Zeit mussten wir darum eine Alternative finden», sagt Reto Beer.
«Wir bekamen die Anfrage im September 2022», erzählt Michael Maurer, der bei CREABETON die Region Bern betreut. «Die Frage war, ‹Könnt ihr das?› und vor allem ‹Wie schnell?›» Maurer schickte umgehend ein Team mit Mustern der bereits vorhandenen Betonlösung CREACCESS® auf die Baustelle.
«Diese Lösung kommt dem Look des Natursteins sehr nahe.» Reto Beer, Projektleiter, Tiefbauamt Stadt Bern
Genauso gut wie Naturstein
Der Wiedererkennungswert der Berner Bus- und Tramhaltestellen ist der Stadt wichtig. «Wir haben ein Standard-Wartehäuschen, und wir haben in Zusammenarbeit mit BernMobil und ProVelo einen eigenen Steintyp für die Kanten entwickelt, der immer den gleichen Querschnitt aufweist», sagt Reto Beer. Die Anforderung an CREABETON war darum, einen Betonstein zu produzieren, der genau gleich ausschaut. Zusammen mit allen am Bau Beteiligten hat das Team von CREABETON die gewünschten Adaptionen besprochen und in kürzester Zeit neue Muster umgesetzt. «Wir prüften verschiedene Varianten. Schliesslich entschieden wir uns für sandgestrahlte Betonelemente mit einer leichten Farbpigmentierung. Diese kommen dem Look des Natursteins sehr nahe», sagt Reto Beer.
Anfang Oktober 2022 bekam CREABETON den Auftrag und lieferte die bestellten Elemente innert Monatsfrist. So konnte die Haltestelle «Inselpark» rechtzeitig zum Fahrplanwechsel Anfang Dezember wieder befahren werden.
Schnell und individuell umsetzbar
Reto Beer vom Tiefbauamt der Stadt Bern ist vollauf zufrieden mit dem Resultat: «Die Zusammenarbeit war ausgezeichnet. Das Team von CREABETON war innovativ, flexibel und hilfsbereit.» Der Projektleiter kann sich diese Lösung auch für andere Haltestellen vorstellen: «Davon ausgenommen die Altstadt. Dort haben wir besondere Richtlinien und werden weiterhin Natursteine verwenden. Aber für die Haltestellen ausserhalb wissen wir jetzt, dass es eine gute Alternative gibt, die unsere visuellen und technischen Anforderungen erfüllt. Und was mich zusätzlich überzeugt: Bei der Betonlösung werden nur regionale Rohstoffe verwendet.»
Und wie geht es weiter? «Wir arbeiten mit Hochdruck an der Realisierung von weiteren Projekten», sagt Beer. 164 Umbauten sind in Zusammenhang mit anstehenden Sanierungsprojekten geplant, und ein Kredit für die Sanierung einer weiteren Tranche von Haltestellen dürfte demnächst den Stadtberner Stimmberechtigten vorgelegt werden.
Auch gesamtschweizerisch gibt es noch viel zu tun, erklärt Joe Manser von der Schweizer Fachstelle «Hindernisfreie Architektur»: «In der Schweiz gibt es insgesamt 50 000 Bus-Einstiegsstellen. Und es gibt Gemeinden, die haben mit dem Umbau noch nicht einmal angefangen.» Gerade diesen Gemeinden möchte Manser einen zusätzlichen Ansporn geben, nun loszulegen: «Die hohen Haltekanten bieten nicht nur Rollstuhlfahrern einen Mehrwert. Sie nützen allen, die mit Rädern kommen: Menschen mit Rollatoren, Einkaufswagen oder Kinderwagen. Es ist also höchste Zeit, damit anzufangen.»
«Wir wissen jetzt, dass es eine gute Alternative gibt, die unsere visuellen und technischen Anforderungen erfüllt.» Reto Beer, Projektleiter, Tiefbauamt Stadt Bern